Kopernikanische Wende

Diese Zeichnung im Manuskript des Werkes De revolutionibus orbium coelestium (1543) von Nikolaus Kopernikus veranschaulicht den Ausgangspunkt des kopernikanischen Weltbilds: Die Planeten bewegen sich auf kreisförmigen Bahnen um die Sonne.

Unter der kopernikanischen Wende oder der kopernikanischen Revolution (nach Nikolaus Kopernikus) versteht man die Abkehr vom geozentrischen (d. h. die Erde als Mittelpunkt des Sonnensystems habenden) Weltbild, die sich im 16. und 17. Jahrhundert in Europa vollzog. Die Wende bestand darin, bei der Erforschung der Welt über den unmittelbaren Augenschein hinauszugehen, um durch konstruktive Vernunft zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.[1][2]

In einem engeren Sinn ist mit der kopernikanischen Wende das Ende der Auffassung gemeint, dass die Erde im Weltmittelpunkt ruhe und von rotierenden himmlischen Sphären umgeben sei. In einem weiteren Sinn umfasst die kopernikanische Wende das Ende der mit diesem Weltbild verbundenen weitreichenden Vorstellungen in Philosophie und Religion des ausgehenden europäischen Mittelalters über die Stellung des Menschen in der Welt. Dieses Verständnis der kopernikanischen Wende diente auch zur Abgrenzung zwischen den Epochen Mittelalter und Neuzeit in der Geschichtswissenschaft.[3][4]

In der kopernikanischen Wende manifestiert sich das Ende der Deutungshoheit der Kirche in vielen lebensweltlichen und philosophischen Belangen des Mittelalters. An ihre Stelle traten schrittweise und zum Teil unter heftigen Auseinandersetzungen die sich entfaltenden Naturwissenschaften.

Seit dem 19. Jahrhundert wird der Ausdruck „kopernikanische Wende“ im übertragenen Sinne auch in anderen Wissensgebieten verwendet, um eine neue Theorie oder ein Umdenken (z. B. linguistische Wende, kognitive Wende) als revolutionär und folgenreich herauszustellen (Paradigmenwechsel).[5] In der Geschichte der Philosophie wird zudem von einer „kopernikanischen Wende“ gesprochen, die Immanuel Kant in der Kritik der reinen Vernunft (1781) mit seinem Vorschlag einer Transzendentalphilosophie vollzogen habe. Kant selber hat den Ausdruck „Kopernikanische Wende“ in seinen Schriften nicht benutzt, vielmehr sprach er in der Vorrede der zweiten Auflage von 1787 davon, dass eine „Umänderung der Denkart“ in der Philosophie ebenso zu vollziehen sei wie bei Kopernikus in der Kosmologie oder bei Euklid in der Geometrie.[6]

  1. Hans Blumenberg: Die kopernikanische Wende. Suhrkamp, 1965.
  2. Hans Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt. Suhrkamp, 1975.
  3. Arthur Koestler: Die Nachtwandler – Die Entstehungsgeschichte unserer Welterkenntnis. 3. Auflage. Suhrkamp Taschenbuch, Band 579, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-518-37079-0.
  4. Thomas S. Kuhn: Die kopernikanische Revolution. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1981, ISBN 3-528-08433-2.
  5. Duden online erläutert unter kopernikanisch diese übertragene Bedeutung: eine kopernikanische Wende im Sinne einer „tief greifenden Wende“.
  6. Wulff D. Rehfus: Kopernikanische Wende, in: Handwörterbuch Philosophie, Vandenhoeck & Ruprecht/UTB, Göttingen 2003, ISBN 978-3-8252-8208-0. URL: [Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 22. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.philosophie-woerterbuch.de], abgerufen am 18. Dez. 2017.

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